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Prof. Dr. Jan Dirk Roggenkamp
Neue Präventionsmittel
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- Roggenkamp: Gefährdung
- Roggenkamp: Vision
Die neuen technischen Möglichkeiten werden bislang in der Praxis nur wenig und erst recht nicht in der Breite zur Kriminalitätsverhinderung genutzt. Gemein ist ihnen allen, sei es die heimliche Überwachung von PCs und Smartphones mittels sogenannter Staatstrojaner, sei es intelligente Videoüberwachung oder die Nutzung der Möglichkeiten der Big Data Analyse zu präventiv-polizeilichen Zwecken. Gemein ist allen neuen technischen Möglichkeiten, dass sie die Gefahr massiver Beeinträchtigung der Grundrechte mit sich bringen. Für die Online-Durchsuchung zum Beispiel, hat dies das Bundesverfassungsgericht bereits vor zehn Jahren erkannt und die Nutzung dieses hoch invasiven technischen Ermittlungselements versucht verfassungsrechtlich einzuhegen. Das war allerdings zu einer Zeit, als gerade das erste iPhone auf den Markt kam. Die damalige Situation hat sich mit der Digitalisierung, wie wir sie heute kennen, massiv und dramatisch verändert. Es droht im wahrsten Sinne des Wortes aus meiner Sicht eine Totalüberwachung des Einzelnen und die Kombinationen der technischen Möglichkeiten birgt natürlich noch größere Missbrauchsgefahren und kann, wie man dies bereits in einigen Staaten auf der Welt erkennen kann, zu drastischen Einschränkungen der mühsam erkämpften Grundfreiheiten führen. Insbesondere die Möglichkeiten der heimlichen Überwachung unseres digitalen Selbst, halte ich für hochproblematisch. Also Überwachungstechnologien zur Überwindung zum Beispiel von Verschlüsselung, Anonymität und so weiter sind heutzutage schon verfügbar. Es besteht weltweit ein großer Bedarf an solchen Technologien, deswegen ist das sicherlich auch ein gutes Geschäft für die Hersteller. In einem Rechtsstaat hat man aus meiner Sicht ganz erheblich darauf zu achten, dass der Einsatz dieser Überwachungstechnologien nur in einem Maße stattfindet, wie die Verfassung und insbesondere die Grundrechte der Menschen, insbesondere die Persönlichkeitsrechte der Menschen das zulassen. In der analogen Welt hat mal ein Jurist gesagt, wäre die Auswertung eines Tagebuches die äußerste Grenze in einem rechtsstaatlichen Strafverfolgungsverfahren. Ich würde das übertragen für die Gefahrenabwehrzwecke, das wäre die rechtsstaatliche äußerste Grenze. Mehr darf man nicht machen. Auswertung eines Tagebuches. Heutzutage zielen wir darauf ab, in die digitale Persönlichkeit einzudringen. Wenn sie das vergleichen, was sie in ein Tagebuch reinschreiben würden und was zum Beispiel ein Smartphone über sie aussagt, was man überwacht ja wenn ich drei Monate lang oder sei es nur 2-3 Tage lang Ihr Smartphone überwache, weiß ich vermutlich mehr über Sie, als Sie über sich selber wissen, beziehungsweise was Ihre engsten Vertrauten über Sie wissen. Das heißt, heutzutage haben wir die große Problematik, dass mit Hilfe von moderner und erstmal zu präventiven Zwecken oder Strafverfolgungszwecken geschaffenen Software-Lösungen und geschaffener Technik die Möglichkeit besteht, innerhalb von Sekunden ein ganz umfassendes Persönlichkeitsbild zu erstellen. Dass dieses Persönlichkeitsbild missbraucht werden kann, ich glaube das liegt auf der Hand.
Prof. Dr. Jan Dirk Roggenkamp
- Studium der Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universidad de Salamanca (Spanien)
- Referendariat in Berlin und San José de Costa Rica
- Erstes und Zweites Staatsexamen in Berlin (Kammergericht)
- Wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht der Universität Passau (Prof. Dr. Dirk Heckmann) – dort auch Promotion zum Thema „Web 2.0 Plattformen im kommunalen E-Government“
- Rechtsanwalt (Associate) bei Bird & Bird LLP (Frankfurt am Main) – IT-Practice Group (IT-Recht – insb. Urheberrecht, Datenschutzrecht)
- Referent im Bundesministerium für Justiz – Projektgruppe Elektronische Akte in Strafsachen
- 2012 – 2017 Professor an der Polizeiakademie Niedersachsen
- Seit April 2017 Professor an der HWR Berlin
- § 13 Abs. 6 TMG – Grundsätzliche Möglichkeit der anonymen Nutzung von Internetdiensten
- Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zur Online-Durchsuchung / Recht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme
- Ende-zu-Ende Verschlüsselung
- Internationale Zusammenarbeit der Polizei (Überblick des Status Quo)
- Beitrag digitalcourage e.V. zu Verschlüsselungsverboten
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