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Kerstin Demuth
Neue Präventionsmittel
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Wertvoll ist Technik da, wo sie Dinge zugänglicher macht. Wenn wir zum Beispiel an Beratungsangebote denken, ob das jetzt eine Telefonseelsorge ist, für Menschen, die psychisch belastet sind oder auch Täterberatung, dann ist das schön, wenn die Digitalisierung die Möglichkeit gibt. Ich muss da nicht physisch hingehen, ich brauche das Angebot nicht in meiner Nähe, sondern ich kann anrufen oder ich kann das vielleicht auch anonym in einem Chat tun. Das wären Möglichkeiten, wie Menschen Unterstützung bei Problemen bekommen, wo die Digitalisierung die Zugänglichkeit deutlich erhöht. Oder zum Beispiel auch was Gesundheit angeht. Auch eine stabile Gesundheitsversorgung ist eine Sicherheitsmaßnahme, ist eine Präventionsmaßnahme für ganz viele Risiken, die wir in dieser Welt haben. Und auch da kann die Zugänglichkeit, wenn man es richtig macht, überwachungsfrei macht, richtig viel dafür tun, dass Menschen sicherer sind. Datensparsamkeit ist immer eine gute Empfehlung. Die wird uns leider auch zu schwer gemacht. Eigentlich wäre einerseits die Politik in der Pflicht Gesetze zu schaffen, die uns schützen. Andererseits müssten auch Plattformen dann selber die Verantwortung übernehmen und Daten nicht abschöpfen, die überhaupt nicht nötig sind für das Angebot selber. So lange das nicht so ist, müssen wir digitale Selbstverteidigung nutzen, wie wir das nennen. Es gibt zum Beispiel Möglichkeiten den Browser zu wechseln, da drin Programme die sich „Add-ons“ nennen zu installieren, damit ich nicht von der Werbeindustrie im Internet ausgespäht werde. Ich kann den Messenger wechseln. Ich muss nicht bei WhatsApp bleiben und riskieren, dass Facebook mich dabei ausspäht. Ich kann auch einen freien Messenger aus freier Software wie zum Beispiel Signal verwenden, wo ich mir relativ sicher sein kann da schaut mir niemand über die Schulter und verschlüsselt ist das auch. Wir müssen vor allem weg von dieser Erzählung, wir hätten nichts zu verbergen. Wir haben immer was zu verbergen. Das ist unsere Privatsphäre, unser Privatleben. Es gibt Dinge, die würde ich nicht Fremden auf der Straße erzählen. Was viele Leute eigentlich sagen wollen ist, „ich habe nichts verbrochen“ und das kann uns auch einfach geglaubt werden. Eine pauschale Überwachung ist immer falsch. Es ist immer unproportional in einem Rechtsstaat die gesamte Bevölkerung einer Überwachungsmaßnahme auszusetzen, von der nicht nachgewiesen ist, dass sie irgendetwas bringt. Die massiv in Grundrechte eingreift und dann sagen „na ja es hat aber damals dieses eine Verbrechen damit aufgeklärt werden können“. Da sind die Proportionen völlig aus dem Verhältnis geraten. Zum einen ist es so, dass wir aufpassen müssen, dass von Regierungen und vor allem von Innenpolitikern nicht der Präventionsbegriff umgedeutet wird. Eine tatsächliche Prävention, die Sicherheit schafft, gibt sozialen Rückhalt, damit Leute gar nicht erst gewalttätig und demokratiefeindlich werden. Im Moment sehen wir eine Tendenz, die zum Beispiel sich niederschlägt in den verschärften Landespolizeigesetzen, dass Prävention heißt: die Polizei darf früher eingreifen. Aber das ist etwas, dass auch wieder für chilling Effekte sorgt, das heißt eine Art von Einschüchterung. Ich weiß nicht mehr genau, was darf ich denn jetzt machen? Ich habe nichts verbrochen aber weiß trotzdem nicht ganz sicher, was ich alles an legitimen Dingen tun darf, ohne dass ich in Konflikt mit der Polizei gerate, was ja niemand möchte. Und das dürfen wir nicht geschehen lassen, dass das als Prävention verklärt wird.
Kerstin Demuth
- Datenschützerin und Grundrechtsaktivistin
- Seit 2017 Campaignerin und Redakteurin beim Verein Digitalcourage in Bielefeld
- Organisation bei Digitalcourage e.V. der Verfassungsbeschwerde gegen Telekommunikationsüberwachung und die sogenannte „drohende Gefahr“ im Polizeigesetz NRW
Digitalcourage:
Digitalcourage setzt sich seit 1987 für Datenschutz und Bürgerrechte ein und richtet seit 2000 die jährliche Verleihung der BigBrotherAwards aus. 2008 erhielt Digitalcourage die Theodor-Heuss-Medaille für besonderen Einsatz für die Bürgerrechte.
- „Schluss mit dem Sicherheitstheater!“: Digitalcourage fordert echte Sicherheitspolitik, statt Grundrechtseingriffe, die nicht helfen, sondern nur schaden.
- Dr. Rolf Gössner verleiht einen BigBrotherAward 2018 der Kategorie „Politik“ an CDU und Gründe im Landtag Hessen für die Aufrüstung des Landesamts für Verfassungsschutz und der Einführung von Staatstrojanern.
- 2019 erhält der hessische Innenminister Peter Beuth erhält einen BigBrotherAward für die Anschaffung der Software „Gotham“ aka „Hessendata“.
- Rena Tangens über die vermeintliche „smarte“ Stadt – BigBrotherAwards 2018:
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